Michael Jochum | selbst (1989 -1991 und 1998-2004/2007)

Der Künstler M.J. nimmt sich selbst zum Bildgegenstand. Er ist Fotograf und Abgebildeter, Akteur und Beobachter zugleich. In einem spielerischen Arbeitsprozess entwickelt er aus schnellen gestischen Bewegungen seine visuellen Untersuchungen der eigenen Person.

Jochum hebt die Grenze zwischen Subjekt und Objekt in der fotografischen Aktion auf. Was als Bild entsteht, entzieht sich der exakten Kontrolle während der Aufnahme.

Das Umgebensein von vorgefundenen Materialien an unterschiedlichen Orten bezieht Jochum in den fotografischen Aufnahmeprozess ein.

Er geht Spuren nach, die sich andeuten und lotet die Vielfalt der Möglichkeiten und Zustände aus.

Selbst ist Teil einer umfassenden fotografischen Arbeit, die der Künstler immer wieder in neue bildsprachliche Zusammenhänge stellt und verändert. In den Bildern geht es um Leben und Tod und Zwischenräume – feinfühlig, schonungslos, existentiell.

(Petra Gerschner)

Michael Jochum | Rites de passage (Übergangsriten) (1994 – 1998/2001)

Begriff aus der Ethnologie; geprägt von A. van Gennepp, Les rites de passage, Paris, 1909 bezeichnet Riten, die den Übergang in einen neuen Lebensabschnitt oder Gemeinschaft begleiten. Diese sind meist mit Reinigung und Symbolik von Sterben und Auferstehung verbundene Handlungen. Geburt, Geschlechtsreife / Initiation, Sterbe- und Todesriten.

Jede Fotografie markiert einen Übergang vom Augenblick zum Vergangenen. Fotografieren wird daher selbst eine Art rite de passage, eine vor der Kamera liegende Wirklichkeit wird in eine Bildwirklichkeit verwandelt, etwas nur im Augenblick Existierendes in Dauerhaftes. Wie bei zeremoniellen Handlungen (Riten) spielt auch bei der Fotografie der Tod eine wesentliche Rolle (nach R. Barthes »Die helle Kammer«).

Die Arbeit ist als Buch konzipiert und bezieht sich assoziativ auf diese Thematik, wird aber auch in Form einer Ausstellung gezeigt.

Michael Jochum | R.o.T. (1998 – 2001/2005)

…aus den Archiven subjektiven Erinnerns

wird ein allgemeines Repertoire geschaffen, das an Bilder aus der eigenen Familiengeschichte erinnert.

Familienbilder werden durch erneutes Fotografieren (Refotografie) auf ihren Erinnerungsgehalt und ihre eigene Vergangenheit befragt. Ausschnitte, Unschärfen, und Beleuchtung lassen neue Bilder entstehen.

Material und Gebrauchsspuren werden sichtbar, und verweisen damit auf Vergangenheit und Geschichte.

Wie Erinnerungen zeigen sie Risse, Spuren Kratzer oder verschwimmen mehr oder weniger.

Die Arbeit will keine Familiengeschichte anhand von Bildmaterial rekonstruieren, sondern bleibt wie Erinnerung bruchstückhaft und durchsetzt mit anderen Bildern.

Einzig die Bilder rekonstruieren ihre eigene Geschichte.

Michael Jochum | »bridge over troubled water« (2010)
Fahneninstallation Maria Valeria Brücke – Donau (9-2010)

Sturovo/Esztergom SK/H
Portraits auf Fahnen
32 Fahnen, je 3 x 2 m + 6 Schrifttransparente; 2 x 100 m Gesamtlänge
Sponsor: Lansche Fahnen Hans Lansche GmbH, www.lansche-fahnen.de

Der Songtitel von Simon and Garfunkel. (ca.1970) verweist sinnbildlich auf Verbinden und Trennen, und damit verbundene Konflikte. Dies spiegelt die wechselvolle Geschichte der Brücke – von Zerstörung und Wiederaufbau – und der konfliktbeladenen Beziehung zwischen den Staaten Ungarn und Slowakei wider.

Auch verweist er auf das Wasser: die Donau, »der europäische Fluß«, der sowohl verbindend (Handel) als auch trennend gewirkt hat (Kriege der 90er, ethnische Konflikte seit dem 15. Jahrhundert bis heute)

Die Installation aus Texttransparenten und Fahnen war aus der Distanz, aber auch auf der Brücke sichtbar.
Die Portraits entstanden in einem »open air studio« von Passanten. Sie konnten ihre Fotos gratis abholen.

Die Arbeit entstand im „Brückenwächter“-Stipendium in Štúrovo – SK.